BGH: Auskunftspflicht der Erben gegenüber Pflichtteilsberechtigten auch bei Testamentsvollstreckung

Tobias Goldkamp
Veröffentlicht am 15. Februar 2025 von Tobias Goldkamp

Der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 15.01.2025 – IV ZR 166/24) hat entschieden, dass die Erben auch bei angeordneter Testamentsvollstreckung zur Auskunftserteilung gegenüber Pflichtteilsberechtigten verpflichtet sind. Die Auskunftspflicht nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB trifft die Erben persönlich und kann nicht auf den Testamentsvollstrecker abgewälzt werden.

Der Fall: Streit um die Auskunftspflicht bei Testamentsvollstreckung

Die Klägerin, eine Tochter des Erblassers aus erster Ehe, machte im Wege der Stufenklage Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend. Die Beklagten, ihre Halbgeschwister aus der zweiten Ehe des Erblassers, wurden von diesem als Erben eingesetzt.

Der Erblasser hatte in einem Erbvertrag von 1995 seine Kinder aus erster und zweiter Ehe zu Erben eingesetzt. In einem späteren Testament von 2019 enterbte er jedoch die Kinder aus erster Ehe und setzte nur noch die Kinder aus der zweiten Ehe als alleinige Erben ein. Zudem bestimmte er seine zweite Ehefrau als Testamentsvollstreckerin.

Die Klägerin verlangte von den Beklagten Auskunft über den Nachlassbestand und Schenkungen des Erblassers innerhalb der letzten zehn Jahre. Die Beklagten verweigerten die Auskunft mit der Begründung, dass sie nur mittelbaren Besitz am Nachlass hätten, da die Mutter als Testamentsvollstreckerin die tatsächliche Sachherrschaft ausübe.

Das Landgericht verurteilte die Beklagten auf der ersten Stufe der Stufenklage zur Auskunftserteilung. Das OLG Karlsruhe bestätigte das Urteil in der Berufung. Der BGH wies die Beschwerde der Beklagten gegen die Auskunftsverpflichtung zurück.

Die Entscheidung des BGH: Erben müssen Auskunft erteilen – auch bei Testamentsvollstreckung

1. Auskunftspflicht trifft die Erben persönlich, nicht den Testamentsvollstrecker

📌 Grundsatz aus § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB:

  • Pflichtteilsberechtigte haben einen Anspruch auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls.
  • Die Auskunftspflicht trifft die Erben selbst und nicht den Testamentsvollstrecker.
  • Die Auskunft ist eine persönliche Wissenserklärung der Erben.

📌 Das BGH stellte klar:

  • Die Erben können sich nicht darauf berufen, dass die Testamentsvollstreckerin die Sachherrschaft über den Nachlass hat.
  • Die Testamentsvollstreckung entbindet die Erben nicht von ihrer gesetzlichen Pflicht, Auskunft zu erteilen.
  • Die Beklagten hatten weiterhin Zugriff auf Informationen über den Nachlass, zumal sie mit der Testamentsvollstreckerin in häuslicher Gemeinschaft lebten.

Ergebnis: Die Erben müssen die Auskunft erteilen, unabhängig davon, ob eine Testamentsvollstreckung angeordnet ist.

2. Keine pauschale Verweigerung der Auskunft mit Verweis auf den Testamentsvollstrecker

📌 Erben müssen sich um die Informationen bemühen:

  • Die Beklagten argumentierten, dass sie keinen direkten Zugriff auf die Nachlassakten hätten.
  • Der BGH entschied, dass dies kein ausreichender Grund ist, die Auskunft zu verweigern.
  • Erben müssen sich bei der Testamentsvollstreckerin um die notwendigen Informationen bemühen.

📌 Der BGH betonte:

  • Nur wenn es den Erben objektiv unmöglich ist, die geforderten Informationen zu beschaffen, könnte eine Ausnahme bestehen.
  • Im konkreten Fall hatten die Erben aber keine ernsthaften Bemühungen unternommen, um an die erforderlichen Informationen zu gelangen.

Ergebnis: Die Erben können ihre Auskunftspflicht nicht durch die bloße Existenz eines Testamentsvollstreckers umgehen.

3. Frage der Erfüllbarkeit der Auskunftspflicht wird erst in der Vollstreckung relevant

📌 Erfüllung der Pflicht ist gesondert zu prüfen:

  • Der BGH stellte klar, dass die Frage, ob und in welchem Umfang die Erben die verlangte Auskunft tatsächlich erteilen können, erst im Vollstreckungsverfahren zu klären ist.
  • Die Erben sind verpflichtet, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um die verlangten Informationen zu beschaffen.

Ergebnis: Die Auskunftspflicht besteht unabhängig davon, ob die Erben den gesamten Nachlass überblicken können.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung des BGH verdeutlicht, dass die Pflicht zur Auskunftserteilung über den Nachlass die Erben trifft – selbst wenn eine Testamentsvollstreckung angeordnet wurde:

Erben müssen Pflichtteilsberechtigten Auskunft erteilen, auch wenn ein Testamentsvollstrecker eingesetzt ist.
Der Verweis auf den Testamentsvollstrecker entbindet die Erben nicht von ihrer gesetzlichen Verpflichtung.
Ob die Erben tatsächlich in der Lage sind, die verlangte Auskunft zu erteilen, wird erst in der Vollstreckung geprüft.

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Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

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