Das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ) wurde im Rahmen der EU-Erbrechtsverordnung Nr. 650/2012 geschaffen, um die grenzüberschreitende Nachlassabwicklung innerhalb der Europäischen Union zu vereinfachen. Es dient als einheitlicher Nachweis der Erbenstellung, der Vermächtnisnehmereigenschaft oder der Befugnisse eines Testamentsvollstreckers oder Nachlassverwalters in allen Mitgliedstaaten der EU.
1. Begriff und Bedeutung des Europäischen Nachlasszeugnisses
Das Europäische Nachlasszeugnis stellt eine bedeutende Neuerung für Erbfälle mit internationalem Bezug dar. Es wurde speziell für die vereinfachte Abwicklung grenzüberschreitender Erbfälle eingeführt. Es handelt sich dabei um ein europaweit gültiges Dokument, das die Stellung des Erben, des Vermächtnisnehmers oder eines Testamentsvollstreckers nachweist und somit eine effiziente Nachlassabwicklung über Ländergrenzen hinweg ermöglicht. Dieses Zeugnis ist in allen EU-Mitgliedstaaten außer Dänemark und Irland anwendbar.
a) Freiwilligkeit der Nutzung
Es besteht jedoch keine Pflicht zur Nutzung des Europäischen Nachlasszeugnisses. Es ist eine freiwillige Alternative zu den nationalen Nachlassdokumenten, wie dem deutschen Erbschein. Erben können sich daher entscheiden, ob sie ein Europäisches Nachlasszeugnis beantragen möchten oder auf den nationalen Erbschein zurückgreifen.
b) Wirkungen des Nachlasszeugnisses
Das Europäische Nachlasszeugnis entfaltet in allen Mitgliedstaaten die gleiche Wirkung. Das bedeutet, dass das Zeugnis in allen Ländern der EU als Nachweis über die Erbenstellung, die Rechte eines Vermächtnisnehmers oder die Befugnisse eines Testamentsvollstreckers anerkannt wird. Dadurch entfällt die Notwendigkeit, für jedes Land, in dem Vermögen des Erblassers liegt, separate Erbscheine oder Nachlassdokumente zu beantragen.
2. Verfahren zur Beantragung des Europäischen Nachlasszeugnisses
a) Zuständigkeit und Antragstellung
Für die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses ist das Nachlassgericht im Mitgliedstaat zuständig, dessen Gerichte gemäß der Erbrechtsverordnung für die Erbsache zuständig sind. In Deutschland liegt die Zuständigkeit für die Ausstellung bei dem Amtsgericht (Nachlassgericht), in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte. Das Nachlassgericht stellt das Zeugnis nur auf Antrag einer berechtigten Person aus. Antragsberechtigt sind Erben, Vermächtnisnehmer sowie Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter.
b) Voraussetzungen für den Antrag
Der Antrag auf ein Europäisches Nachlasszeugnis muss bestimmte Mindestangaben enthalten, darunter:
- Angaben zum Erblasser,
- Angaben zum Antragsteller,
- Angaben zu anderen möglichen Berechtigten,
- Informationen zu Verfügungen von Todes wegen (Testament, Erbvertrag),
- Nachweise zur Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft.
Diese Angaben sind durch entsprechende Dokumente zu belegen. Zudem kann das Nachlassgericht verlangen, dass der Antragsteller eine eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit seiner Angaben abgibt.
3. Inhalt und Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses
Das Europäische Nachlasszeugnis enthält detaillierte Angaben über die Erbenstellung, die Rechte des Vermächtnisnehmers sowie die Befugnisse eines Testamentsvollstreckers oder Nachlassverwalters. Es gilt in allen EU-Mitgliedstaaten als rechtsverbindlicher Nachweis für die Erbenstellung und ermöglicht so die einfache Abwicklung des Nachlasses in mehreren Ländern.
a) Gutglaubensschutz und Rechtswirkungen
Das Europäische Nachlasszeugnis bietet einen umfassenden Gutglaubensschutz für Dritte, die im Vertrauen auf die Richtigkeit des Zeugnisses handeln. Das bedeutet, dass Personen, die Vermögensgegenstände des Erblassers aufgrund des Zeugnisses an die im Zeugnis genannten Erben oder Vermächtnisnehmer herausgeben, in der Regel von jeglicher Haftung befreit sind, auch wenn das Zeugnis sich später als unrichtig erweist. Diese Regelung schafft Rechtssicherheit und erleichtert die Abwicklung von Erbfällen.
b) Gültigkeitsdauer
Das Europäische Nachlasszeugnis wird in der Regel mit einer befristeten Gültigkeit ausgestellt. Die Gültigkeitsdauer beträgt sechs Monate, kann aber auf Antrag verlängert werden. Nach Ablauf dieser Frist muss eine neue beglaubigte Abschrift des Zeugnisses beantragt werden, um es weiterhin verwenden zu können.
4. Vorteile des Europäischen Nachlasszeugnisses
Das Europäische Nachlasszeugnis bietet eine Reihe von Vorteilen für die Abwicklung grenzüberschreitender Erbfälle:
- Einheitlichkeit: Es vereinfacht die Nachlassabwicklung in mehreren EU-Mitgliedstaaten durch die einheitliche Gültigkeit.
- Zeitersparnis: Erben müssen keine separaten Erbscheine oder Nachlassdokumente in jedem Land beantragen.
- Rechtssicherheit: Das Zeugnis bietet einen umfassenden Gutglaubensschutz für Dritte und erleichtert die Nachlassverwaltung.
5. Unterstützung durch unsere Kanzlei
Bei grenzüberschreitenden Erbfällen kann das Europäische Nachlasszeugnis eine effiziente Lösung bieten. Unsere Kanzlei unterstützt Sie gerne bei der Beantragung und steht Ihnen bei der Nachlassabwicklung im internationalen Kontext zur Seite.