Folgen der Nichtbeachtung des Zuziehungsrechts des Pflichtteilsberechtigten bei Anfertigung eines Nachlassverzeichnisses

Das Landgericht (LG) Duisburg hat am 16. April 2024 (Az.: 11 O 196/23) eine wichtige Entscheidung zu den Folgen der Nichtbeachtung des Zuziehungsrechts des Pflichtteilsberechtigten bei der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses getroffen. Diese Entscheidung betont die Bedeutung des Anwesenheitsrechts von Pflichtteilsberechtigten und die Konsequenzen, die sich aus dessen Missachtung ergeben können.

Hintergrund des Falls

Der Fall betraf den Nachlass eines Erblassers, der seine zweite Ehefrau als Alleinerbin einsetzte und seinen beiden Töchtern aus erster Ehe eine Immobilie als Vermächtnis hinterließ. Die Klägerin, eine der Töchter, schlug das Vermächtnis aus und machte Pflichtteilsansprüche geltend. Sie forderte die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses und die Einhaltung ihres Zuziehungsrechts gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Zentrale Streitpunkte

  1. Nichtbeachtung des Zuziehungsrechts: Die Klägerin machte geltend, dass ihr Zuziehungsrecht bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses nicht berücksichtigt wurde, obwohl sie dies mehrfach geltend gemacht hatte.
  2. Angemessenheit des Nachlassverzeichnisses: Die Klägerin kritisierte, dass das vorgelegte Nachlassverzeichnis inhaltlich unzureichend sei und der beauftragte Notar seine Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt habe.
  3. Wertermittlungsanspruch: Die Klägerin forderte zudem die Wertermittlung eines im Nachlass befindlichen Fahrzeugs, das nach dem Tod des Erblassers verkauft wurde.

Entscheidung des Landgerichts

Folgen der Nichtbeachtung des Zuziehungsrechts

Das LG Duisburg entschied zugunsten der Klägerin und stellte fest, dass die Nichtbeachtung des Zuziehungsrechts einen wesentlichen Mangel darstellt, der zur Wiederholung der Erstellung des Nachlassverzeichnisses berechtigt. Die wesentlichen Punkte der Entscheidung umfassen:

1. Wesentliche Mängel durch Nichtbeachtung des Zuziehungsrechts

  • Recht auf Anwesenheit: Das Gericht bestätigte, dass die Klägerin gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB das Recht hat, bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses anwesend zu sein oder einen Vertreter hinzuzuziehen. Dieses Recht war von der Beklagten nicht beachtet worden.
  • Keine konkludente Verzichtserklärung: Das Gericht stellte klar, dass das Schreiben des Anwalts der Klägerin, in dem lediglich eine Frist zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses gesetzt wurde, keinen Verzicht auf das Zuziehungsrecht darstellte.

2. Anspruch auf Wiederholung der Erstellung des Nachlassverzeichnisses

  • Erneute Erstellung des Verzeichnisses: Aufgrund der Missachtung des Zuziehungsrechts hat die Klägerin Anspruch auf eine erneute Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses unter Beachtung ihres Anwesenheitsrechts.

Wertermittlungsanspruch für den Pkw

  • Ermittlung des Fahrzeugwerts: Das Gericht bestätigte den Anspruch der Klägerin auf Wertermittlung des im Nachlass befindlichen Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Erbfalls. Dies sei auch dann erforderlich, wenn das Fahrzeug bereits verkauft wurde, um sicherzustellen, dass der erzielte Verkaufserlös dem tatsächlichen Verkehrswert entsprach.

Inhaltliche Anforderungen an das Nachlassverzeichnis

  • Vollständigkeit und Genauigkeit: Das Gericht betonte, dass das notarielle Nachlassverzeichnis eine vollständige und genaue Bestandsaufnahme des Nachlasses umfassen muss, einschließlich aller Aktiva und Passiva sowie lebzeitiger Zuwendungen des Erblassers.

Fazit

Die Entscheidung des LG Duisburg unterstreicht die Bedeutung des Zuziehungsrechts des Pflichtteilsberechtigten bei der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses. Pflichtteilsberechtigte haben das Recht, bei der Erstellung des Verzeichnisses anwesend zu sein oder einen Vertreter hinzuzuziehen, und dieses Recht muss vom auskunftspflichtigen Erben respektiert werden. Darüber hinaus muss das Nachlassverzeichnis inhaltlich vollständig und korrekt sein, um den Auskunftsanspruch zu erfüllen.

Wenn Sie Fragen zur Erstellung von Nachlassverzeichnissen oder zu den Rechten von Pflichtteilsberechtigten haben, steht Ihnen unsere Kanzlei mit ihrer Expertise im Erbrecht gerne zur Verfügung.

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