Um den Pflichtteil berechnen zu können ist eine Aufstellung über den Nachlass wichtig. In vielen Fällen besteht das Recht, dass der Erbe eine solche Aufstellung anfertigt.
1. Auskunftsberechtigte nach § 2314 BGB
Der § 2314 BGB regelt den Auskunftsanspruch von Pflichtteilsberechtigten, die enterbt wurden. Dieser Hilfsanspruch dient zur Vorbereitung des Pflichtteilsanspruchs und kann von jedem geltend gemacht werden, der konkret pflichtteilsberechtigt ist, jedoch nicht Erbe geworden ist.
Nicht auskunftsberechtigt sind Miterben, da sie sich selbst über den Nachlass informieren können. Das gilt auch für pflichtteilsberechtigte Miterben, die nur unzureichend als Erben eingesetzt wurden (§ 2305 BGB).
Anders ist es bei Pflichtteilsberechtigten, die zwar als Erben berufen sind, jedoch die Erbschaft wegen Beschränkungen oder Beschwerungen ausschlagen (§ 2306 BGB). Sie können anschließend ein Nachlassverzeichnis verlangen. Auch ein pflichtteilsberechtigter Nichterbe, der mit einem Vermächtnis bedacht wurde (§ 2307 BGB), kann diesen Anspruch geltend machen, unabhängig davon, ob er das Vermächtnis annimmt oder ausschlägt.
2. Weitere Berechtigte
Auskunftsberechtigt sind auch:
- Der Abtretungsempfänger (Zessionar) des Pflichtteilsanspruchs, beispielsweise das Sozialamt oder das Jobcenter, wenn Pflichtteilsansprüche übergeleitet wurden,
- Der Insolvenzverwalter, wenn der Pflichtteilsberechtigte ein Insolvenzverfahren durchläuft und das Pflichtteil verwertbar ist.
3. Mehrere Berechtigte
Falls mehrere Auskunftsberechtigte vorhanden sind, kann jeder individuell den Anspruch nach § 2314 BGB geltend machen. Diese Berechtigten sind keine Gesamtgläubiger, was bedeutet, dass jeder für sich alleine handeln kann.
4. Pflichtteilsberechtigter Erbe
Ein pflichtteilsberechtigter Miterbe hat grundsätzlich keinen Auskunftsanspruch, da er sich selbst über den Nachlass informieren kann. Dies gilt insbesondere für die Auskunft über den realen Nachlassbestand. Allerdings besteht ein Auskunftsanspruch in Bezug auf Schenkungen, die für einen Pflichtteilsergänzungsanspruch relevant sein könnten (§§ 2325, 2329 BGB).
5. Nacherben
Ein pflichtteilsberechtigter Nacherbe hat erst dann einen Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB, wenn er die Erbschaft nach § 2306 BGB ausgeschlagen hat. Vor der Ausschlagung hat er jedoch einen Anspruch auf Auskunft gegenüber dem Vorerben gemäß § 2121 BGB, um über die Annahme oder Ausschlagung entscheiden zu können.
6. Kein Auskunftsanspruch des Vermächtnisnehmers nach Annahme des Vermächtnisses
Das OLG München (Urteil vom 21.11.2022, Az. 33 U 2216/22) hat entschieden, dass ein Vermächtnisnehmer, der ein Vermächtnis in Höhe seines Pflichtteilsanspruchs angenommen hat, keinen Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB mehr geltend machen kann. Der Grund ist, dass der Pflichtteilsanspruch durch die Annahme des Vermächtnisses endgültig erloschen ist. In diesem Fall steht dem Vermächtnisnehmer lediglich ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB zu, der jedoch auf ein einfaches Nachlassverzeichnis beschränkt ist und keine Wertermittlungsansprüche umfasst.
Das OLG stellte klar, dass ein Auskunftsanspruch gemäß § 2314 BGB nur besteht, wenn noch ein Pflichtteilsanspruch vorliegt. Ist dieser Anspruch durch die Annahme des Vermächtnisses erloschen, wie in diesem Fall, bestehe kein weiteres Informationsbedürfnis seitens des Vermächtnisnehmers.
7. Auskunftsanspruch trotz Vermächtnis
Das OLG Köln (Urteil vom 8.9.2022, Az. 24 U 18/22) hat entschieden, dass ein Vermächtnisnehmer, der zugleich pflichtteilsberechtigt ist, dennoch einen Auskunftsanspruch gemäß § 2314 BGB haben kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Auskunftsanspruch dazu dient, die Differenz zwischen dem Wert des Vermächtnisses und den Pflichtteils- sowie Pflichtteilsergänzungsansprüchen zu berechnen. Im Fall, dass der Pflichtteilsberechtigte sich aufgrund mangelnder Auskunft nicht entscheiden kann, ob er das Vermächtnis oder den Pflichtteil in Anspruch nehmen soll, kann ein Schadenersatzanspruch gegen den Erben entstehen. Der Erbe kann sich hierbei nicht auf die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs berufen, wenn die Auskunft für andere Ansprüche, wie den Pflichtteilsergänzungsanspruch, benötigt wird.
Das OLG Köln hob hervor, dass auch nach der Verjährung des Pflichtteilsanspruchs ein Auskunftsanspruch bestehen kann, wenn dieser zur Geltendmachung weiterer Ansprüche erforderlich ist, wie beispielsweise zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen aufgrund des Verzugs bei der Auskunftserteilung.
Fazit und Unterstützung durch die Kanzlei
Wir beraten Mandanten, die als enterbte Pflichtteilsberechtigte oder als potenziell berechtigte Erben in einer der genannten Situationen stehen. Wir unterstützen dabei, den Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB durchzusetzen, um eine vollständige und transparente Aufklärung über den Nachlass zu erhalten. Insbesondere bei komplexen Fällen, in denen mehrere Berechtigte vorhanden sind oder spezielle Konstellationen wie Schenkungen zu berücksichtigen sind, stehen wir unseren Mandanten mit rechtlicher Expertise zur Seite.