Darf ein Patient seinem langjährigen Hausarzt per Vermächtnis ein Grundstück hinterlassen, als Dank für ärztliche Betreuung und zusätzliche Hilfsdienste? Das Oberlandesgericht Hamm (Hinweisbeschluss vom 28. Mai 2024, Az. 10 U 14/24) sagt: Nein. Eine so große Zuwendung verstößt gegen das ärztliche Berufsrecht – das Vermächtnis ist nichtig.

Der Fall in Kürze
- Patient: ledig, kinderlos, fühlte sich von seiner Familie nicht unterstützt.
- Hausarzt: betreute ihn seit 2015 und schloss 2016 einen „Betreuungs-, Versorgungs- und Erbvertrag“ mit ihm ab. Der Notar kam zur Beurkundung in die Arztpraxis.
- Vertrag: Der Arzt verpflichtete sich zu ständiger Erreichbarkeit, Hausbesuchen sowie Hilfe bei Finanz- und Behördenangelegenheiten. Als Gegenleistung sollte er nach dem Tod des Patienten ein 2,3 ha großes Grundstück erhalten (Wert mindestens 100.000 €).
- Erblasser: verstorben 2018. Der Insolvenzverwalter des Arztes klagte anschließend auf Übertragung des Grundstücks.
- Ergebnis: Landgericht wies die Klage ab, das OLG Hamm bestätigte die Entscheidung: Das Vermächtnis ist wegen Verstoßes gegen § 32 der Berufsordnung für Ärzte nichtig (§ 134 BGB).
Weshalb das Vermächtnis unwirksam ist
1. Verstoß gegen das ärztliche Berufsrecht (§ 32 BO-Ä)
Ärztinnen und Ärzte dürfen von Patientinnen und Patienten keine Vermögensvorteile annehmen, wenn dadurch der Eindruck entsteht, ihre medizinische Unabhängigkeit könne beeinflusst werden. Ein Grundstück in sechsstelliger Höhe überschreitet diese Grenze deutlich.
2. Konsequenz des Verbotsgesetzes (§ 134 BGB)
Die Berufsordnung ist ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB. Wird sie verletzt, ist das zugrunde liegende Rechtsgeschäft automatisch nichtig. Der Arzt hat damit keinerlei Anspruch auf das Vermächtnis.
3. Testierfreiheit tritt zurück
Zwar darf grundsätzlich jeder frei über sein Vermögen verfügen; kollidiert die Zuwendung jedoch mit einem gesetzlichen Verbot, ist die Testierfreiheit eingeschränkt. Der gesetzliche Schutz der ärztlichen Unabhängigkeit hat Vorrang.
Folgen für Praxis und Nachlassplanung
Für Patientinnen und Patienten
- Größere Geschenke an behandelnde Ärzte unbedingt rechtlich prüfen lassen.
- Kleinere, symbolische Aufmerksamkeiten sind zulässig, sofern kein Einfluss auf medizinische Entscheidungen zu befürchten ist.
Für Ärztinnen und Ärzte
- Keine erheblichen Vermögensvorteile von Patientinnen und Patienten annehmen, auch nicht als künftiges Vermächtnis.
- Berufsrechtliche Verstöße führen zur Nichtigkeit und können standesrechtliche Konsequenzen haben.
Für Angehörige und Erben
- Prüfen, ob letztwillige Verfügungen problematische Zuwendungen enthalten.
- Im Zweifel frühzeitig anwaltliche Beratung einholen und gegebenenfalls Anfechtung oder Feststellungsklage erwägen.
Wie wir Sie unterstützen
- Testaments- und Vertragsprüfung: Wir analysieren, ob Vermächtnisse oder Schenkungen berufs- oder standesrechtliche Verbote verletzen.
- Rechtssichere Gestaltung: Wir entwickeln Dankes- oder Pflegevereinbarungen, die sowohl ärztliches Berufsrecht als auch Erbrecht beachten.
- Prozessvertretung: Wir setzen berechtigte Ansprüche durch oder wehren unzulässige Forderungen ab.
Ihr nächster Schritt
Planen Sie eine Zuwendung an eine betreuende Person oder sind bereits in einen solchen Streit verwickelt? Sprechen Sie uns an. Wir sorgen dafür, dass Dankbarkeit keine rechtlichen Probleme verursacht und Ihr letzter Wille wirksam bleibt.