Kündigungsrecht bei Nießbrauch und vorweggenommener Erbfolge

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer aktuellen Entscheidung vom 12. Juni 2024 (Az.: XII ZR 92/22) wichtige Fragen zum Kündigungsrecht des Grundstückseigentümers nach dem Tod des Nießbrauchers und der Übertragung des Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge geklärt.

Hintergrund des Falls

Der Kläger und die Geschäftsführerin der Beklagten sind Geschwister. Ihre Mutter, die ursprüngliche Eigentümerin des Grundstücks, hatte dieses 2002 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an den Kläger übertragen und sich dabei ein Nießbrauchsrecht vorbehalten. Nach dem Tod der Mutter sollte der Nießbrauch an ihren Ehemann, den Vater der beiden Geschwister, übergehen. Der Vater schloss daraufhin einen Mietvertrag über das Grundstück mit der Beklagten.

Nach dem Tod des Vaters kündigte der Kläger das Mietverhältnis unter Berufung auf § 1056 Abs. 2 BGB, der das Sonderkündigungsrecht des Grundstückseigentümers nach Beendigung eines Nießbrauchs regelt. Der Kläger verlangte daraufhin die Herausgabe des Grundstücks.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH stellte in seiner Entscheidung klar, dass der Grundstückseigentümer, der das Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erhalten hat, nicht nach Treu und Glauben daran gehindert ist, das Sonderkündigungsrecht nach § 1056 Abs. 2 BGB auszuüben. Dieses Sonderkündigungsrecht gilt, wenn der Nießbrauch endet, und der Eigentümer nicht gleichzeitig Erbe des Nießbrauchers ist.

Das Gericht hob den Beschluss des Oberlandesgerichts München auf, das die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hatte, und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück. Dabei stellte der BGH fest, dass das Berufungsgericht den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt hatte. Schon bevor die Berufungsbegründung vorlag, hatte das Berufungsgericht durch Beschluss angekündigt, die Berufung mangels Erfolgsaussichten durch Beschluss zurückzuweisen (§ 522 Abs. 2 ZPO).

Bedeutung der Entscheidung

Diese Entscheidung des BGH verdeutlicht, dass Grundstückseigentümer, die nicht Erben des Nießbrauchers sind, grundsätzlich nicht durch Treu und Glauben daran gehindert sind, das ihnen gesetzlich zustehende Sonderkündigungsrecht auszuüben. Dies gilt auch dann, wenn das Grundstück im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge übertragen wurde. Zudem unterstreicht die Entscheidung die Wichtigkeit der Gewährung rechtlichen Gehörs in Berufungsverfahren.

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