Notarielles Nachlassverzeichnis: Ablauf

Tobias Goldkamp

Veröffentlicht am 14. Oktober 2024 von Tobias Goldkamp

Ein notarielles Nachlassverzeichnis bietet Pflichtteilsberechtigten eine verlässliche und detaillierte Übersicht über den Nachlass des Erblassers. Dabei unterscheidet es sich vom privaten Nachlassverzeichnis, das ein Erbe selbst erstellt, indem der Notar als neutrale Amtsperson für die Vollständigkeit und Korrektheit des Verzeichnisses sorgt. Nachfolgend finden Sie die einzelnen Schritte und Anforderungen, die beim Verfahren zur Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu beachten sind.

1. Antrag und Auswahl des Notars

Das Verfahren zur Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses beginnt mit dem Verlangen des Pflichtteilsberechtigten an den Erben, das Nachlassverzeichnis notariell erstellen zu lassen. Der Erbe ist der Auskunftspflichtige. Er bestimmt und beauftragt den Notar, der das Verzeichnis aufnimmt​.

In der Praxis kommt es vor, dass Notare sich weigern, den Auftrag anzunehmen. Der Erbe ist verpflichtet, die Aufnahme des Verzeichnisses durchzusetzen, ggf. durch eine Untätigkeitsbeschwerde gegen den Notar.

2. Erfassung des Nachlasses

Der Notar ist verpflichtet, die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Erblassers zum Zeitpunkt des Erbfalls in einem Nachlassverzeichnis zu erfassen. Der Notar:

  • prüft alle Vermögensgegenstände und Nachlassverbindlichkeiten,
  • befragt den Auskunftspflichtigen nach weiteren Hinweisen und Nachlassgegenständen,
  • verzeichnet auch Schenkungen und sonstige für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs oder Pflichtteilsergänzungsanspruchs relevante Vorgänge.

Hierbei muss der Notar Vermögenswerte im In- und Ausland berücksichtigen und auch lebzeitige Zuwendungen erfassen, die im Todeszeitpunkt oder davor als Vermögensverfügungen relevant waren.

3. Beteiligung des Pflichtteilsberechtigten

Der Pflichtteilsberechtigte hat das Recht, beim Termin zur Aufnahme des Nachlassverzeichnisses durch den Notar anwesend zu sein. Er kann währenddessen Hinweise auf bekannte Nachlassgegenstände geben und seine Einwände gegenüber dem Notar äußern. Der Pflichtteilsberechtigte kann sich durch einen Anwalt vertreten lassen, hat jedoch keine Möglichkeit, das Verfahren durch Weisungen an den Notar zu beeinflussen​.

4. Besondere Pflichten des Notars

Im Rahmen seiner Tätigkeit zur Aufnahme des Verzeichnisses hat der Notar:

  • eine umfassende Ermittlungspflicht: Er muss eine vollständige Auflistung aller Aktiva und Passiva des Nachlasses vornehmen und darf sich nicht nur auf die Angaben des Erben verlassen,
  • die Verantwortung für die Ermittlung des sogenannten fiktiven Nachlasses, darunter auch Schenkungen.

Der Notar prüft hierzu beispielsweise Grundbücher und fordert Kontounterlagen an. Er ist jedoch nicht verpflichtet, eine „Rasterfahndung“ durchzuführen, etwa durch landesweite Bankenabfragen. Seine Ermittlungspflicht beschränkt sich auf die Maßnahmen, die ein vernünftig denkender Dritte in der Lage des Pflichtteilsberechtigten als geboten ansehen würde.

5. Verzeichnis und Dokumentation

Das notarielle Nachlassverzeichnis muss übersichtlich gestaltet sein und alle relevanten Angaben zu Vermögensgegenständen und Nachlassverbindlichkeiten enthalten. Auch unentgeltliche oder teilentgeltliche Zuwendungen sind anzugeben. Hingegen gehört die Bewertung der Nachlassgegenstände nicht zu den Aufgaben des Notars. Möchte der Pflichtteilsberechtigte die Werte der Nachlassgegenstände ermitteln, kann er dies durch einen von ihm selbst beauftragten Sachverständigen tun, ein vom Erben auf Kosten des Nachlasses eingeholtes Wertgutachten verlangen oder gerichtlich ein selbständiges Beweisverfahren veranlassen.

6. Kosten und Dauer

Für die Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses fallen Gebühren an, die sich nach dem Wert des gesamten Nachlasses richten und vom Erben zu tragen sind. Allerdings sind die Kosten als Nachlassverbindlichkeiten zu berücksichtigen und schmälern damit anteilig in Höhe der Pflichtteilsquote auch den Pflichtteilsanspruch.

Aufgrund der umfassenden Ermittlungspflichten kann das Verfahren mehrere Monate in Anspruch nehmen, insbesondere bei umfangreichen Nachlässen oder wenn weitere Nachforschungen notwendig sind.

Fazit

Das notarielle Nachlassverzeichnis bietet Pflichtteilsberechtigten eine verlässliche, unabhängige und vollständige Erfassung des Nachlasses. Es schafft Klarheit und minimiert das Risiko, dass Vermögenswerte unbemerkt bleiben.

Für eine korrekte Ermittlung aller Nachlasswerte unterstützt Sie unsere Kanzlei und steht Ihnen im gesamten Verfahren zur Seite.

Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

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