OLG München: Fiskalerbschaft und die Dürftigkeitseinrede – Auswirkungen auf die Hypothekenlöschung

Tobias Goldkamp
Veröffentlicht am 24. März 2025 von Tobias Goldkamp

Das Oberlandesgericht München (Urteil vom 09.12.2024 – 19 U 1039/24 e) hat entschieden, dass die Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB im Fall einer staatlichen Erbschaft die automatische Vereinigung von Eigentum und Grundpfandrecht nicht verhindert. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf den Löschungsanspruch eines nachrangigen Hypothekengläubigers im Rahmen einer Zwangsversteigerung.

Der Fall: Streit um die Erlösverteilung nach einer Zwangsversteigerung

Eine Erblasserin verstarb und hinterließ eine hochverschuldete Eigentumswohnung. Da keine Erben vorhanden waren, fiel der Nachlass gemäß § 1936 BGB an den Staat. Neben der Immobilie gab es nur ein Bankguthaben von 1.503,91 €, während die Belastungen des Grundstücks den Wert deutlich überstiegen.

Ein Kreditinstitut hatte eine nachrangige Hypothek auf der Immobilie, die jedoch wertlos geworden wäre, falls die vorrangigen Sicherungsrechte im Rahmen der Zwangsversteigerung bedient würden. Das Land Bayern, das als Staatserbe Eigentümer wurde, machte die Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB geltend, um zu verhindern, dass es für Nachlassverbindlichkeiten haftet.

Das Kreditinstitut argumentierte, dass durch die Fiskalerbschaft eine Vereinigung von Eigentum und Grundpfandrecht in der Hand des Freistaats eingetreten sei, sodass die Hypotheken nach § 1179a Abs. 1 BGB zu löschen seien. Dies würde bedeuten, dass die Bank als nachrangiger Gläubiger aus dem Versteigerungserlös einen höheren Betrag erhalten könnte.

Das Landgericht München I hatte der Bank Recht gegeben, wogegen der Staat Berufung einlegte.

Die Entscheidung des OLG München: Keine Trennung der Vermögensmassen durch Dürftigkeitseinrede

Das OLG München bestätigte das Urteil des Landgerichts und entschied zugunsten des Kreditinstituts:

1. Die Dürftigkeitseinrede trennt Nachlass und Eigenvermögen nicht vollständig

📌 Grundsatz:

  • Die Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB schützt den Staat vor der persönlichen Haftung für Nachlassverbindlichkeiten.
  • Sie führt jedoch nicht dazu, dass das Eigentum am Grundstück vom Grundpfandrecht getrennt bleibt.
  • Es kommt daher zur Vereinigung des Eigentums mit der Hypothek, was den Löschungsanspruch des nachrangigen Hypothekengläubigers nach § 1179a Abs. 1 BGB auslöst.

Ergebnis: Das Kreditinstitut kann verlangen, dass die vorrangige Hypothek gelöscht wird, sodass es einen größeren Anteil aus dem Versteigerungserlös erhält.

2. Keine Sonderregelung für Fiskalerbschaften

📌 Der Staat kann sich nicht auf eine Sonderstellung berufen:

  • Der Freistaat Bayern argumentierte, dass er als Zwangserbe nach § 1936 BGB keine Möglichkeit habe, die Erbschaft auszuschlagen.
  • Daraus ergebe sich eine ungerechtfertigte Schlechterstellung gegenüber anderen Erben, die eine Ausschlagung nutzen könnten, um ihr Eigenvermögen zu schützen.
  • Das OLG München stellte jedoch klar, dass eine solche Differenzierung gesetzlich nicht vorgesehen ist.

Ergebnis: Die Fiskalerbschaft führt nicht zu einer Ausnahme von der Anwendung des § 1179a BGB.

3. Steueransprüche des Staates erlöschen durch Konfusion

📌 Steueransprüche des Staates gegen den Nachlass erlöschen automatisch:

  • Nach § 47 AO führt die Vereinigung von Steuergläubiger und Erbe in einer Person zum Erlöschen der Steuerforderung.
  • Damit kann der Staat keine eigenen Steueransprüche mehr gegen den Nachlass durchsetzen, was zu einer weiteren Schwächung seiner Rechtsposition führt.

Ergebnis: Das Land Bayern konnte sich auch nicht auf vorrangige Steuerforderungen berufen, um eine andere Verteilung des Versteigerungserlöses zu erreichen.

Bedeutung für die Praxis

Diese Entscheidung klärt die Wechselwirkungen zwischen Fiskalerbschaft, Dürftigkeitseinrede und dem Hypothekenrecht:

Die Dürftigkeitseinrede schützt den Staat vor einer Haftung für Nachlassverbindlichkeiten, führt aber nicht zu einer vollständigen Trennung von Nachlass und Eigenvermögen.
Durch die Fiskalerbschaft kommt es zur Vereinigung von Eigentum und Hypothek, was nachrangigen Gläubigern nach § 1179a BGB einen Löschungsanspruch ermöglicht.
Steueransprüche des Staates gegen den Nachlass erlöschen durch Konfusion, sodass sich der Fiskus nicht darauf berufen kann, um eine bevorzugte Behandlung bei der Verteilung des Versteigerungserlöses zu erreichen.

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Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

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