In einem aktuellen Beschluss hat das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken entschieden, dass ein Nachlasspfleger unter Umständen die Auszahlung einer Lebensversicherung verhindern bzw. vom Bezugsberechtigten zurückfordern kann (Beschluss vom 6. Juni 2024 – 5 U 28/24).
1. Hintergrund des Falls
Im vorliegenden Fall hatte der Erblasser eine Lebensversicherung abgeschlossen und in den Versicherungsbedingungen die „Erben der versicherten Person“ als Bezugsberechtigte für die Todesfallleistung bestimmt. Die gesetzlichen Erben hatten die Erbschaft ausgeschlagen, sich jedoch die Versicherungssumme von 12.028,18 Euro von der Versicherung auszahlen lassen. Der Nachlasspfleger verklagte sie auf Zahlung dieser Summe an den Nachlass.
2. Entscheidung des OLG Saarbrücken
Das OLG Saarbrücken entschied zugunsten des Nachlasspflegers. Das Gericht stützte sich auf die Differenzierung zwischen dem Deckungsverhältnis und dem Valutaverhältnis im Zusammenhang mit der Auszahlung der Lebensversicherungssumme:
a) Deckungsverhältnis und Valutaverhältnis
Das Deckungsverhältnis besteht zwischen dem Bezugsberechtigten und dem Versicherer und regelt den Anspruch auf die Auszahlung der Todesfallleistung. Im vorliegenden Fall hatten die Beklagten als Bezugsberechtigte diesen Anspruch mit dem Tod des Erblassers erworben. Das Valutaverhältnis hingegen besteht zwischen dem Bezugsberechtigten und dem Erben. Aus ihm ergibt sich, ob der Bezugsberechtigte den Anspruch gegen den Versicherer bzw. das ausgezahlte Geld behalten darf oder dem Erben abtreten bzw. zahlen muss. Das Gericht stellte fest, dass das Valutaverhältnis – und damit ein Rechtsgrund für die Behaltendürfen der Versicherungssumme – hier fehlte.
b) Kein Anspruch der Beklagten auf Behaltendürfen der Versicherungssumme
Das OLG Saarbrücken folgte der Auffassung des Landgerichts, dass die Auszahlung der Versicherungssumme an die Beklagten keine Schenkung darstellte. Die Übermittlung des Schenkungsangebots war durch einen rechtzeitigen Widerruf des Nachlasspflegers ungültig geworden, sodass ein Schenkungsvertrag nie wirksam zustande gekommen war. Somit waren die Beklagten verpflichtet, die Versicherungssumme an die unbekannten Erben zurückzuzahlen.
3. Bedeutung der Entscheidung
Die Entscheidung des OLG Saarbrücken verdeutlicht die Möglichkeit für Erben, dem vom Erblasser gegenüber der Versicherung bestimmten Bezugsberechtigten eine Lebensversicherungssumme zu entziehen, so dass der Betrag dem Nachlass und damit dem Erben zukommt. Der Fall zeigt, dass der Nachlasspfleger im Interesse der Erben handeln kann, um zu verhindern, dass rechtsgrundlos Vermögenswerte an Dritte ausgezahlt werden.
4. Anderes Ergebnis bei zu Lebzeiten abgegebener Erklärung
Allerdings funktioniert der hier beschriebene Weg nur, wenn nicht bereits ein die Zahlung rechtfertigendes Valutaverhältnis zustande gekommen ist. Ein solches Verhältnis entsteht beispielsweise, wenn der Erblasser selbst dem Bezugsberechtigten die Bezugsberechtigung mitgeteilt hat und zwischen den beiden ein Schenkungsvertrag zustande gekommen ist. Dieser Schenkungsvertrag wird durch Erfüllung formwirksam. Die Erfüllung tritt mit dem Tod des Erblassers ein, denn in diesem Moment fällt dem Bezugsberechtigten der Anspruch gegen den Versicherer an. Auf weitere Erklärungen oder den Zeitpunkt der Auszahlung des Geldes kommt es dann nicht mehr an und es besteht keine Widerrufsmöglichkeit für den Erben oder einen Nachlasspfleger.
Fazit
Das Zusammenspiel von Versicherungsrecht und Erbrecht ist komplex. Es erfordert ein besonders sorgfältiges und umsichtiges Vorgehen, denn jeder Fall ist anders und kleine Unterschiede können schon zu ganz anderen Ergebnissen führen. Unsere Kanzlei berät Sie gerne zu erbrechtlichen Fragen rund um den Widerruf von Bezugsrechten und zur Nachlassverwaltung.