Wenn ein naher Angehöriger stirbt und Sie enterbt wurden oder weniger als Ihren Pflichtteil erhalten, haben Sie als Pflichtteilsberechtigter das Recht, den Pflichtteil geltend zu machen. Der Pflichtteil steht den nächsten Verwandten wie Kindern, Ehegatten oder Eltern zu, die nach dem Gesetz zur gesetzlichen Erbfolge gehören würden, aber durch Testament oder Erbvertrag nicht berücksichtigt wurden. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Sie den Pflichtteil erfolgreich einklagen und welche rechtlichen Schritte dabei zu beachten sind.
1. Anspruch auf den Pflichtteil
Der Pflichtteilsanspruch ist ein reiner Geldanspruch und umfasst die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, den der Pflichtteilsberechtigte ohne Testament oder Erbvertrag erhalten hätte. Der Anspruch richtet sich gegen die Erben, die den Nachlass verwalten.
Berechtigte Personen
Pflichtteilsberechtigt sind in der Regel:
- Abkömmlinge (Kinder, Enkelkinder)
- Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner
- Eltern des Erblassers (falls keine Abkömmlinge vorhanden sind)
2. Vorgehen zur Geltendmachung des Pflichtteils
a) Auskunftsanspruch
Bevor der Pflichtteil eingeklagt werden kann, hat der Pflichtteilsberechtigte zunächst einen Anspruch auf Auskunft über den Nachlass (§ 2314 BGB). Dies erfolgt durch ein Nachlassverzeichnis, das von den Erben zur Verfügung gestellt werden muss. Dieses Verzeichnis muss alle Vermögensgegenstände, Nachlassverbindlichkeiten und lebzeitigen Zuwendungen des Erblassers enthalten, die für die Berechnung des Pflichtteils relevant sind. Der Pflichtteilsberechtigte kann auch ein notarielles Nachlassverzeichnis verlangen.
b) Wertermittlung
Zur genauen Berechnung des Pflichtteils ist oft eine Wertermittlung des Nachlasses erforderlich, insbesondere bei Immobilien oder Unternehmensbeteiligungen.
c) Stufenklage
Die Stufenklage ist das gängigste Instrument zur Geltendmachung des Pflichtteils. Sie kombiniert den Auskunfts-, Wertermittlungs- und Zahlungsanspruch in einem Verfahren. In der ersten Stufe wird Auskunft über den Nachlass verlangt, in der zweiten Stufe wird der Wert des Nachlasses ermittelt, und in der dritten Stufe erfolgt die Klage auf Zahlung des Pflichtteils. Diese Klageform bietet den Vorteil, dass die Verjährung des Zahlungsanspruchs bereits mit der Einreichung der Klage gehemmt wird.
3. Klage und Verjährung
Die Verjährungsfrist für den Pflichtteilsanspruch beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Erbfall eingetreten ist und der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis von seiner Enterbung erlangt hat. Es ist wichtig, rechtzeitig tätig zu werden, um den Anspruch nicht zu verlieren.
4. Besonderheiten beim Pflichtteilsergänzungsanspruch
Neben dem eigentlichen Pflichtteil gibt es den sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2325 BGB). Dieser kommt zum Tragen, wenn der Erblasser vor seinem Tod Schenkungen gemacht hat, die den Nachlass verringert haben. Der Pflichtteilsberechtigte kann diese Schenkungen innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren vor dem Tod des Erblassers anteilig in die Pflichtteilsberechnung einbeziehen.
Fazit
Die Geltendmachung des Pflichtteils erfordert oft mehrere rechtliche Schritte, von der Auskunft über den Nachlass bis zur Durchsetzung des Zahlungsanspruchs. Die Stufenklage bietet eine effektive Möglichkeit, den Pflichtteil in einem strukturierten Verfahren einzufordern. Sollten Sie Ihren Pflichtteilsanspruch geltend machen wollen, empfiehlt es sich, frühzeitig einen spezialisierten Anwalt für Erbrecht zu konsultieren, um Ihre Rechte zu wahren und den Prozess effizient zu gestalten.