Kann ein Erbe den gesamten Familienbesitz zwangsversteigern lassen, obwohl im Nachlass nur ein Bruchteil – etwa ½ oder ¼ – des Grundstücks steckt? Ja, sagt der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 20.03.2025, Az. V ZB 63/23). Das Urteil verschiebt die Kräfteverhältnisse in Erbengemeinschaften: Jede Erbin und jeder Erbe kann eine Teilungsversteigerung des gesamten Grundbesitzes allein beantragen – ohne Zustimmung der übrigen Miterben, ja sogar gegen ihren Willen.

Der Fall in Kürze
Zum Nachlass gehörte ein Miteigentumsanteil an einem Mehrfamilienhaus. Eine Miterbin beantragte die Teilungsversteigerung des gesamten Hausgrundstücks, um die Erbauseinandersetzung voranzutreiben. Die anderen Miterben – darunter eine Gläubigerin, die den Erbteil gepfändet hatte – wollten das verhindern. Doch die Gerichte bestätigten: Der Antrag ist zulässig, das Verfahren läuft weiter.
Das „große Antragsrecht“ – Kernpunkte der BGH-Entscheidung
- Großes statt kleines Antragsrecht: Gehört nur ein Bruchteil zum Nachlass, darf jeder Miterbe die Versteigerung des gesamten Grundstücks beantragen, nicht nur die des eigenen Anteils.
- Keine Blockade durch Pfändungen: Selbst wenn der Erbteil gepfändet ist, behält der betroffene Erbe das Recht, das Verfahren zu betreiben, auch ohne die Zustimmung des Gläubigers oder gegen dessen Willen.
- Pfändungsgläubiger bleibt geschützt: Der Versteigerungserlös ersetzt im Nachlass den gepfändeten Erbteil.
Praktische Folgen für Erbengemeinschaften
Schneller Druck auf die Gemeinschaft
Ein einziger Miterbe kann die Versteigerung erzwingen und so dafür sorgen, dass der Grundbesitz zu Geld wird. Das Nachsehen haben Miterben, die den Grundbesitz halten wollen. Sie sind darauf angewiesen, sich entweder mit dem Antragsteller zu einigen oder den Grundbesitz selbst zu ersteigern.
Gläubigerschutz ohne Vetorecht
Pfändet ein Gläubiger einen Erbteil, kann er die Versteigerung nicht stoppen. Er wird dadurch geschützt, dass der Versteigerungserlös an die Stelle des Grundbesitzes tritt.
Handlungsempfehlungen für Erbengemeinschaften
- Erbteil kaufen oder verkaufen: Prüfen Sie frühzeitig, ob eine interne Übernahme von Anteilen kostengünstiger ist als eine öffentliche Versteigerung. Denkbar ist auch eine Abschichtung, bei der Miterben gegen Abfindung aus der Erbengemeinschaft ausscheiden.
- Teilungsvertrag anstreben: Eine einvernehmliche Teilung verhindert den Gang zum Vollstreckungsgericht und spart Gebühren. Eine Möglichkeit ist, gemeinschaftlich einen Makler zu beauftragen und die Immobilie zu verkaufen. Das funktioniert aber nur, wenn alle Miterben den Kaufvertrag beim Notar unterschreiben.
- Vorsorgeregelungen treffen: Im Testament oder Erbvertrag können Regelungen getroffen werden, was mit der Immobilie im Erbfall geschieht und wie der Nachlass abzuwickeln ist.
So unterstützen wir Sie
Ob Sie eine Teilungsversteigerung anstreben, abwehren oder durch kluge Gestaltung ganz vermeiden möchten – wir begleiten Sie bei
- der Ausarbeitung von Teilungs- und Übernahmeverträgen,
- der gerichtlichen Durchsetzung oder Abwehr einer Versteigerung sowie
- der Optimierung Ihres Testaments, um ungewollte Zwangsversteigerungen bereits zu Lebzeiten auszuschließen.
Ihr nächster Schritt
Stehen Sie vor einer strittigen Erbauseinandersetzung oder möchten Sie Ihre Immobilie vor einer unfreiwilligen Versteigerung schützen? Sprechen Sie uns an. Als Fachkanzlei für Erbrecht entwickeln wir eine maßgeschneiderte Strategie, damit Ihr Vermögen in den richtigen Händen bleibt.