Die Frage der Testierfähigkeit eines Erblassers stellt sich besonders dann, wenn dieser an Demenz erkrankt ist. Ein aktueller Beschluss des Kammergerichts Berlin zeigt, wie in solchen Fällen die Gültigkeit eines Testaments geprüft wird (KG, Beschluss vom 25.07.2024, Az. 19 W 76/23). Was passiert, wenn ein Erblasser an Demenz leidet, aber ein Testament verfasst? Und wann ist ein Testament wegen Testierunfähigkeit unwirksam?

Der Fall im Detail
Der Erblasser litt unter einer Demenz vom Mischtyp (degenerativ/vaskulär) und verfasste zwei Testamente: Eines aus dem Jahr 2017, in dem er seinen Sohn zum Alleinerben einsetzte, und ein weiteres Testament aus dem Jahr 2018, in dem er den Sohn und seine Lebensgefährtin als Erben zu gleichen Teilen einsetzte. Der Sohn legte gegen das Testament von 2018 Beschwerde ein und stellte die Testierfähigkeit seines Vaters infrage. Er war der Meinung, dass der Erblasser aufgrund seiner Demenz nicht mehr in der Lage war, die Tragweite seiner Entscheidung zu verstehen. Das Kammergericht wies diese Beschwerde jedoch zurück und entschied, dass der Erblasser testierfähig war.
Was bedeutet Testierfähigkeit bei Demenz?
Testierfähigkeit ist die Fähigkeit, eine letztwillige Verfügung zu treffen. Diese setzt voraus, dass der Testierende:
- die Bedeutung und die Auswirkungen seiner Entscheidung versteht,
- in der Lage ist, die Tragweite und Konsequenzen seiner Anordnungen zu erkennen und abzuwägen,
- frei von krankhaften Einflüssen oder von unzulässigem Druck Dritter entscheiden kann.
Die Beurteilung der Testierfähigkeit: Ein zweistufiges Verfahren
Die Frage, ob der Erblasser testierfähig war, wird in zwei Schritten geprüft:
- Es muss festgestellt werden, ob eine geistige Störung wie Demenz vorlag (diagnostische Ebene).
- Dann wird geprüft, ob diese geistige Störung so weitreichend war, dass sie die Einsichtsfähigkeit und die Fähigkeit zur freien Willensbildung des Erblassers ausschloss (psychopathologische Ebene).
Für die Feststellung der Testierunfähigkeit ist derjenige beweispflichtig, der sich auf die Unwirksamkeit des Testaments beruft. Das bedeutet, dass derjenige, der das Testament angreift, auch die Beweise dafür erbringen muss, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig war.
Was passiert, wenn der Erblasser den Vorschlägen eines Dritten folgt?
Ein weiterer wichtiger Punkt in diesem Fall betrifft die Frage, ob der Erblasser durch die Vorschläge eines Dritten so stark beeinflusst wurde, dass er nicht mehr in der Lage war, eine eigene Entscheidung zu treffen.
Das Kammergericht stellte klar, dass der Erblasser auch dann testierfähig bleiben kann, wenn er den Vorschlägen eines Dritten in vollem Vertrauen folgt, ohne diese nachzuprüfen, sofern er dies bewusst und aus eigenem Entschluss tut. Dies bedeutet, dass der Erblasser zwar den Vorschlägen eines anderen folgt, aber dennoch eine eigene Willensentscheidung trifft. In diesem Fall blieb die Testierfähigkeit des Erblassers unberührt.
Testierfähigkeit trotz Demenz
Im konkreten Fall des Erblassers im Jahr 2018 konnte keine Testierunfähigkeit festgestellt werden. Das Gutachten des Sachverständigen zeigte, dass der Erblasser trotz seiner Demenz in der Lage war, die Bedeutung seines Testaments zu verstehen und bewusst zu entscheiden.
Das Kammergericht stellte fest, dass die Demenzerkrankung des Erblassers zwar zu einer Beeinträchtigung seiner geistigen Fähigkeiten geführt hatte, jedoch nicht so weit, dass seine Fähigkeit zur freien und eigenständigen Willensbildung ausgeschlossen war. Auch der Sachverständige konnte keine Hinweise auf eine Testierunfähigkeit zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung finden. Das Testament von 2018 blieb somit wirksam.
Was bedeutet das für Ihre Nachlassplanung?
Auch wenn eine Demenz vorliegt, ist es nicht automatisch so, dass der Erblasser testierunfähig ist. Es muss immer im Einzelfall geprüft werden, ob der Erblasser noch in der Lage war, eine eigenständige Entscheidung zu treffen und die Folgen seiner Verfügung zu verstehen.
Wenn Sie sich Sorgen um die Testierfähigkeit eines Familienmitglieds machen, das möglicherweise an Demenz leidet, oder wenn Sie sicherstellen möchten, dass Ihr eigenes Testament rechtskräftig ist, kann hilfreich sein, die Geschäfts- bzw. Testierfähigkeit durch einen Facharzt für Psychiatrie untersuchen und dokumentieren zu lassen.
So können wir Ihnen helfen
- Testamentserstellung und -prüfung: Wir unterstützen Sie dabei, ein rechtssicheres Testament zu erstellen, das auch im Falle einer späteren Anfechtung Bestand hat.
- Prüfung der Testierfähigkeit: Wenn Sie Zweifel an der Testierfähigkeit eines Angehörigen haben, helfen wir Ihnen, die rechtliche Situation zu klären.
- Vermeidung von Erbstreitigkeiten: Wir beraten Sie, wie Sie Streitigkeiten über Testamente verhindern und Ihren Nachlass klar und unmissverständlich regeln können.
Ihr nächster Schritt
Haben Sie Fragen zur Testierfähigkeit oder möchten Sie Ihr Testament überprüfen lassen? Kontaktieren Sie uns. Als Fachkanzlei für Erbrecht helfen wir Ihnen, Ihre Wünsche rechtlich abzusichern und sicherzustellen, dass Ihr letzter Wille auch in schwierigen Situationen durchgesetzt wird.


