Das Thüringer Oberlandesgericht hat am 25. März 2024 eine wichtige Entscheidung zum Erbrecht getroffen (Az.: 6 W 22/24). Diese Entscheidung befasst sich mit den Folgen, die eine Wiederverheiratung auf die Bestimmungen eines gemeinschaftlichen Testaments haben kann. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie sich eine Wiederverheiratungsklausel auf die Erbfolge auswirkt.
Hintergrund des Falls
Der Erblasser und seine erste Ehefrau hatten 1996 ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Darin setzten sie sich gegenseitig als Vorerben ein und bestimmten ihren gemeinsamen Sohn als Nacherben des Erstversterbenden sowie als Vollerben des Letztversterbenden. Zudem enthielt das Testament eine Klausel, wonach der Nacherbfall auch dann eintreten sollte, wenn der überlebende Ehegatte erneut heiratet.
Nach dem Tod der ersten Ehefrau im Jahr 1996 heiratete der Erblasser seine zweite Ehefrau und errichtete mit ihr im Jahr 2013 ein weiteres gemeinschaftliches Testament. In diesem Testament setzten sie sich gegenseitig als alleinige Vollerben ein.
Der Sohn des Erblassers aus seiner ersten Ehe beantragte nach dem Tod des Erblassers einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweist, da er sich auf die ursprüngliche testamentarische Regelung berief. Das Nachlassgericht entschied jedoch zugunsten der zweiten Ehefrau, da durch die Wiederverheiratung die ursprünglichen Bindungen aus dem Testament von 1996 entfielen.
Die Entscheidung des Thüringer Oberlandesgerichts
Das Thüringer Oberlandesgericht bestätigte die Entscheidung des Nachlassgerichts und wies die Beschwerde des Sohnes zurück. Die wesentlichen Gründe sind:
- Wiederverheiratungsklausel: Die Wiederverheiratungsklausel im Testament von 1996 führte dazu, dass der Nacherbfall mit der Wiederheirat des Erblassers eintrat. Dadurch wurde die Bindung des Erblassers an das erste Testament aufgehoben, und er konnte frei über seinen Nachlass verfügen.
- Bindungswirkung: Das Gericht stellte fest, dass die Bindungswirkung der testamentarischen Verfügung des Erstversterbenden bei Wiederverheiratung entfällt. Das bedeutet, dass der Erblasser nach der Wiederverheiratung nicht mehr an die ursprünglichen Bestimmungen gebunden war.
- Auslegung des Testaments: Bei der Auslegung von gemeinschaftlichen Testamenten ist der Wille beider Testatoren entscheidend. Das Gericht prüfte, ob das Testament von 1996 Hinweise darauf gab, dass die Wechselbezüglichkeit auch nach einer Wiederverheiratung bestehen sollte. Solche Hinweise waren nicht erkennbar, weshalb die Wechselbezüglichkeit entfiel.
Bedeutung der Entscheidung
Diese Entscheidung verdeutlicht die Bedeutung von Wiederverheiratungsklauseln in gemeinschaftlichen Testamenten. Sie zeigt, dass solche Klauseln erhebliche Auswirkungen auf die Erbfolge haben können und die Bindungswirkung des ursprünglichen Testaments aufheben können.
Fazit
Die Entscheidung des Thüringer Oberlandesgerichts betont, dass bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments sorgfältig über die Konsequenzen von Wiederverheiratungsklauseln nachgedacht werden sollte. Erben und Testatoren sollten sich bewusst sein, wie sich solche Klauseln auf die Erbfolge auswirken können.
Wenn Sie Fragen zur Gestaltung von Testamenten oder zur Erbfolge haben, steht Ihnen unsere Kanzlei gerne zur Verfügung, um Sie umfassend zu beraten und zu unterstützen.