Verfahrensmängel im Erbscheinsverfahren: Entscheidung des OLG München

Tobias Goldkamp
Veröffentlicht am 10. Februar 2025 von Tobias Goldkamp

Das Oberlandesgericht München hat in einem Beschluss vom 18. Dezember 2024 (Az.: 33 Wx 251/24) die Anforderungen an die Beweisaufnahme im Erbscheinsverfahren präzisiert. Die Entscheidung betont die Bedeutung der Beweisunmittelbarkeit und des rechtlichen Gehörs bei Richterwechseln.

Der Fall

Der Erblasser verstarb kinderlos und unverheiratet. Seine Mutter und mehrere Geschwister stritten um die Erbfolge. Während einige Beteiligte die gesetzliche Erbfolge geltend machten, beriefen sich andere auf ein angeblich handschriftliches Testament des Erblassers, das jedoch nicht mehr auffindbar war. Das Nachlassgericht hatte die Zeugen zur Existenz dieses Testaments vernommen, bevor ein Richterwechsel stattfand. Der nachfolgende Richter entschied auf Basis der Protokolle, ohne die Beweisaufnahme zu wiederholen.

Entscheidung des Gerichts

Das OLG München hob die Entscheidung des Nachlassgerichts auf und verwies die Sache zurück. Die zentralen Erwägungen:

  1. Grundsatz der Beweisunmittelbarkeit
    • Nach § 355 ZPO, der auch im Erbscheinsverfahren Anwendung findet, muss ein Richter sich persönlich ein Bild von der Glaubwürdigkeit der Zeugen machen. Eine bloße Auswertung der Protokolle ist nicht ausreichend.
  2. Rechtswidrige Verwertung der Zeugenaussagen
    • Die Niederschrift der Beweisaufnahme enthielt keine Angaben zur Glaubwürdigkeit der Zeugen. Ohne Wiederholung der Vernehmungen konnte sich der Nachfolger keine eigene Überzeugung bilden.
  3. Rechtsverletzung durch unterlassene Amtsermittlung
    • Das Nachlassgericht hatte weder mögliche Einschüchterungen der Zeugen noch widersprüchliche Aussagen ausreichend aufgeklärt. Es unterließ zudem die Ermittlung von Details, etwa des genauen Zeitpunkts der Testamentserrichtung.
  4. Unklare Tatsachengrundlage
    • Die Entscheidung des Nachlassgerichts beruhte auf bloßen Mutmaßungen zur möglichen Vernichtung des Testaments durch den Erblasser, was keine tragfähige Grundlage darstellt.

Bedeutung der Entscheidung

Die Entscheidung des OLG München betont die Bedeutung des rechtlichen Gehörs und der Beweisunmittelbarkeit im Erbscheinsverfahren. Richterwechsel dürfen nicht dazu führen, dass zentrale Verfahrensgrundsätze vernachlässigt werden.

Fazit

Dieses Urteil zeigt, wie wichtig eine sorgfältige Beweisaufnahme im Erbrecht ist, insbesondere bei streitigen Erbscheinsverfahren. Unsere Kanzlei unterstützt Sie bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche und der Wahrung Ihrer Rechte im Erbschaftsstreit. Kontaktieren Sie uns für eine fundierte Beratung!

Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

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