SG Mainz: Sozialhilfeempfänger muss Pflichtteil geltend machen

Steht ausreichend Geld zur Auszahlung des Pflichtteils zur Verfügung, ist es keine besondere Härte, wenn der Sozialhilfeträger vom Pflichtteilsberechtigten erwartet, den Pflichtteil geltend zu machen. Dies entschied das Sozialgericht Mainz mit Urteil vom 23.08.2016 (Az.: S 4 AS 921/15) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes.

In den Entscheidungsgründen führt das SG Mainz aus:

Schließlich stellt die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs auch keine besondere Härte gem. § 12 Abs. 3 Nr. 6 2. Alt SGB II dar. Ob eine besondere Härte vorliegt, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls. Maßgebend sind dabei nur außergewöhnliche Umstände, die nicht durch die ausdrücklichen gesetzlichen Freistellungen über das Schonvermögen und die Absetzbeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II erfasst werden. Es müssen also solche Umstände vorliegen, die dem Kläger ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte. Dies ist im vorliegenden Einzelfall zu verneinen. Hinsichtlich der grundsätzlichen Maßstäbe schließt sich die Kammer den Ausführungen des BSG im bereits mehrfach zitierten Urteil im Urteil vom 06.05.2010, Rz 28 ff bei juris, an. Demnach können grundsätzlich auch drohende schwerwiegende familiäre Konfliktsituationen eine besondere Härte im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 6 2. Alt. SGB II begründen und – noch weitergehend – ist festzustellen, dass bei der Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs in der Situation eines Berliner Testaments eine solche Konfliktsituation regelmäßig gegeben sein dürfte. Die Eltern des Klägers haben diese Verfügung getroffen, in der Erwartung, dass die Kinder gerade nicht durch Einforderung ihres Pflichtteils das Vermögen des überlebendes Partners (hier: der Mutter des Klägers) schmälern. Diese vom Gesetz auch in § 852 Abs. 1 ZPO besonders geschützte familiäre Verbundenheit wird ganz offensichtlich durch die vom Kläger geforderte Handlung unterlaufen. Dies führt jedoch nach den überzeugenden Ausführungen des BSG nicht dazu, dass in jedem Fall eines Berliner Testaments von einer besonderen Härte hinsichtlich des Pflichtteilsanspruchs auszugehen wäre. Tatsächlich liegt beim Kläger die vom BSG eine als Gegenbeispiel erwähnte Konstellation vor: Soweit nämlich ausreichend Barvermögen zur Auszahlung des Pflichtteilsanspruchs zur Verfügung steht, scheidet eine besondere Härte sogar im Regelfall aus. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Geltendmachung des Anspruchs bei tatsächlich bestehender Hilfebedürftigkeit des Pflichtteilsberechtigten innerhalb eine intakten Familienverbandes als „Affront“ empfunden werden sollte, wenn der Betrag als Barvermögen unmittelbar verfügbar ist.

Die vom BSG weiter ausdrücklich angesprochenen „besonderen Umstände“, die trotz ausreichendem Barvermögen (quasi als Ausnahme von der Ausnahme) eine besondere Härte begründen könnten, vermag die Kammer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorliegend nicht zu erkennen.

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