Pflichtteil: Drohung als Entziehungsgrund?

Tobias Goldkamp
Veröffentlicht am 31. Januar 2025 von Tobias Goldkamp

Die Pflichtteilsentziehung gehört zu den drastischsten Maßnahmen im Erbrecht. Doch wann ist sie rechtlich zulässig? Das Landgericht München I hat in seinem Urteil vom 24. Juli 2024 (Az.: 3 O 3026/24) entschieden, dass eine bloße verbale Drohung nicht ausreicht, um einen Pflichtteilsberechtigten wirksam zu enterben – selbst wenn es sich um eine Todesdrohung handelt. Die Entscheidung verdeutlicht, dass an eine Pflichtteilsentziehung nach § 2333 Abs. 1 BGB hohe Anforderungen gestellt werden.

Der Fall

Ein Erblasser hatte in seinem Testament seinen Vater enterbt und ihm den Pflichtteil entzogen. Zur Begründung führte er an, sein Vater habe ihn mit den Worten „Du sollst verrecken, oder ich mache es!“ bedroht. Der Vater bestritt dies und verlangte nach dem Erbfall vom testamentarisch eingesetzten Erben Auskunft über den Nachlass. Der Erbe verweigerte die Auskunft mit der Begründung, der Pflichtteil sei wirksam entzogen.

Entscheidung des Gerichts

Das LG München I stellte klar, dass die Pflichtteilsentziehung unwirksam war. Die wesentlichen Argumente:

  1. Strenge Anforderungen an die Pflichtteilsentziehung
    • § 2333 Abs. 1 Nr. 1 BGB verlangt, dass der Pflichtteilsberechtigte „nach dem Leben des Erblassers trachtet“.
    • Dies setzt eine konkrete Gefahr oder ernsthafte Absicht zur Tötung voraus. Eine bloße verbale Drohung reicht nicht aus.
  2. Keine nachweisbare Gefährdung
    • Das Gericht betonte, dass eine ernsthafte Bedrohung des Erblassers nicht nachgewiesen wurde.
    • Zudem fehlte eine polizeiliche Anzeige oder sonstige Belege für eine akute Gefährdung.
  3. Pflichtteilsrecht als verfassungsrechtlich geschütztes Mindestrecht
    • Das Pflichtteilsrecht genießt verfassungsrechtlichen Schutz gemäß Art. 14 Abs. 1 GG.
    • Eine Pflichtteilsentziehung darf nur in Ausnahmefällen erfolgen, in denen das Verhalten des Pflichtteilsberechtigten die Grenze des Zumutbaren überschreitet.
  4. Fehlende Beweise für eine Bedrohungslage
    • Der Erbe konnte keine objektiven Nachweise für die behauptete Bedrohung vorlegen.
    • Da es sich um eine schwerwiegende Sanktion handelt, liegt die Beweislast für den Pflichtteilsentziehungsgrund beim Erben.

Pflichtteilsentziehung: Nur in Ausnahmefällen zulässig

Die Entscheidung des LG München I zeigt, dass die Anforderungen an eine Pflichtteilsentziehung hoch sind. Eine verbale Drohung – selbst eine heftige – genügt nicht, um einen nahen Angehörigen um sein Pflichtteilsrecht zu bringen. Vielmehr muss eine tatsächliche Gefährdung des Erblassers nachweisbar sein.

Fazit

Eine Pflichtteilsentziehung ist nur unter strengen Bedingungen möglich. Wer eine Pflichtteilsentziehung plant oder sich dagegen wehren muss, sollte rechtlichen Rat einholen. Unsere Kanzlei berät Sie kompetent zu allen Fragen des Pflichtteilsrechts. Kontaktieren Sie uns für eine individuelle Beratung!

Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

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