Vermächtnis behalten trotz Nachlassinsolvenz?

Tobias Goldkamp
Veröffentlicht am 29. Januar 2025 von Tobias Goldkamp

Wenn ein Nachlass überschuldet ist, können Erben in eine rechtliche Zwickmühle geraten. Dürfen sie testamentarisch angeordnete Vermächtnisse noch erfüllen, oder droht später die Rückforderung durch den Insolvenzverwalter? Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat in seinem Beschluss vom 21. November 2024 (Az.: 12 U 14/24) klargestellt, dass die Erfüllung eines Vermächtnisses keine unentgeltliche Leistung im Sinne der Insolvenzordnung ist und daher nicht angefochten werden kann.

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Der Fall

Ein Erblasser hatte in seinem Testament seinen Enkeln Anteile an einer Eigentumswohnung vermacht. Der Erbe übertrug die Wohnung an die Enkel, um das Vermächtnis zu erfüllen. Später wurde ein Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet, und der Insolvenzverwalter verlangte die Rückübertragung der Immobilie mit der Begründung, die Übertragung sei eine unentgeltliche Leistung gemäß § 134 Insolvenzordnung (InsO) gewesen.

Das Landgericht Wuppertal gab dem Insolvenzverwalter Recht und bewertete die Vermächtniserfüllung als unentgeltliche Verfügung. Die Enkel legten Berufung ein.

Entscheidung des OLG Düsseldorf

Das OLG Düsseldorf hob die Entscheidung des Landgerichts auf und entschied zugunsten der Enkel. Die wichtigsten Argumente:

  1. Vermächtniserfüllung ist keine unentgeltliche Leistung
    • Ein Vermächtnisnehmer hat nach § 2174 BGB einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben. Die Erfüllung dieses Anspruchs ist eine gesetzliche Verpflichtung.
    • Der Erbe wird durch die Erfüllung des Vermächtnisses von seiner Schuld befreit, was eine rechtliche Gegenleistung darstellt. Eine „unentgeltliche Leistung“ im Sinne des § 134 InsO liegt daher nicht vor.
  2. Kein Verstoß gegen den Gläubigerschutz
    • Nachlassgläubiger haben grundsätzlich Zugriff auf das Vermögen des Erben. Die Erfüllung eines Vermächtnisses stellt jedoch keine nachteilige Vermögensverlagerung dar, sondern eine im Erbrecht vorgesehene Verpflichtung.
    • Eine Rückforderung durch den Insolvenzverwalter wäre daher unzulässig.
  3. Keine Anfechtung nach § 134 InsO
    • Der Insolvenzverwalter kann nur unentgeltliche Leistungen anfechten. Da die Erfüllung eines Vermächtnisses eine bestehende Schuld tilgt, fehlt es an der Unentgeltlichkeit.

Bedeutung der Entscheidung

Mit dieser Entscheidung stellt das OLG Düsseldorf klar, dass die Erfüllung eines Vermächtnisses nicht nachträglich vom Insolvenzverwalter rückgängig gemacht werden kann. Das stärkt die Rechtsposition von Erben und Vermächtnisnehmern und sorgt für mehr Sicherheit bei der Nachlassabwicklung.

Fazit

Wer mit einer Nachlassinsolvenz konfrontiert ist, sollte frühzeitig rechtlichen Rat einholen. Unsere Kanzlei berät Sie umfassend zu Ihren Rechten und Pflichten – sei es als Erbe oder Vermächtnisnehmer. Kontaktieren Sie uns für eine individuelle Beratung!

Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

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