Wie mache ich den Pflichtteil geltend?

Tobias Goldkamp
Veröffentlicht am 19. Oktober 2015 von Tobias Goldkamp

Der Pflichtteil ist eine Geldentschädigung, die der Erbe an Sie als Pflichtteilsberechtigten auszahlen muss. Der Erbe muss Ihnen Informationen geben, um die Höhe des Betrages zu errechnen und zu überprüfen. Der Erbe muss erst auf Ihr Verlangen hin tätig werden.

Schritt 1: Auskunft über den Nachlass und über Schenkungen

Fordern Sie den Erben auf, über das Nachlassvermögen, die Nachlassverbindlichkeiten und über Schenkungen Auskunft zu erteilen. Sie sollten auch fragen, ob der Erblasser verheiratet war und in welchem Güterstand (Zugewinngemeinschaft? Gütertrennung? Gütergemeinschaft?). Der Güterstand ist für die Höhe der Pflichtteilsquote mit entscheidend. Setzen Sie zur Beantwortung eine Frist.

Der Erbe muss die Auskunft über den Nachlass durch ein Nachlassverzeichnis erteilen, in dem er alle Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten des Erblassers auflisten muss. Zu den Verbindlichkeiten gehören auch die Beerdigungskosten einschließlich des Beerdigungskaffees und der Erstbepflanzung des Grabes – nicht jedoch die laufende Grabpflege.

Maßgeblicher Stichtag für die Angaben im Nachlassverzeichnis ist der Todestag, es ist also z.B. der Wert eines Hausgrundstücks zu diesem Tag maßgeblich und der Kontostand eines Erblasserkontos an diesem Tag, nicht vorher oder nachher.

Gehört dem Erblasser ein Vermögensgegenstand nur anteilig – z.B. bei Miteigentum an einem Hausgrundstück oder bei einem gemeinsamen Bankkonto – ist dies kenntlich zu machen und zu berücksichtigen. Gleiches gilt bei anteiligen Verbindlichkeiten, z.B. bei einem gemeinsamen Darlehen.

Schenkungen sind wichtig, weil sie einen Pflichtteilsergänzungsanspruch auslösen können.

Sie können verlangen, dabei anwesend zu sein, wenn der Erbe das Nachlassverzeichnis aufnimmt.

Sie können außerdem verlangen, dass das Nachlassverzeichnis nicht vom Erben selbst, sondern durch einen vom Erben zu beauftragenden Notar aufgenommen wird. Die Kosten des Notars muss der Erbe aus dem Nachlass bezahlen, kann sie allerdings als Nachlassverbindlichkeiten benennen, so dass sie den Pflichtteilsanspruch anteilig schmälern.

Schritt 2: Wertermittlung

Ist unklar, welchen Wert ein bestimmter Nachlassbestandteil hat, können Sie vom Erben verlangen, dass er auf Kosten des Nachlasses ein Sachverständigengutachten über den Wert einholt, den der Nachlassbestandteil zum Todestag hatte. Das kann z.B. bei Hausgrundstücken sinnvoll sein. Da der Erbe den Sachverständigen bezahlen muss, darf er den Sachverständigen auswählen und die Kosten als Nachlassverbindlichkeit abziehen, so dass sie auch den Pflichtteil anteilig schmälern. Alternative: Sie holen selbst auf eigene Kosten ein Gutachten bei einem Sachverständigen Ihrer Wahl ein.

Manchmal kann ein Sachverständigengutachten sinnvoll sein, um Unklarheiten zu beseitigen und Streit zwischen den Beteiligten zu schlichten. Manchmal kann es aber sinnvoll sein, direkt Klage einzureichen und den Wert durch einen gerichtlichen Sachverständigen klären zu lassen. Denn im Gerichtsverfahren zählt nur das Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen als Beweis.

Schritt 3: Versicherung an Eides Statt

Die eidesstattliche Versicherung ist ein Druckmittel, den Erben zu bewegen, sich noch einmal gewissenhaft zu überlegen, ob er wirklich alles richtig und vollständig mitgeteilt hat.

Bestehen Anhaltspunkte, dass der Erbe die geschuldeten Auskünfte nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt hat, können Sie verlangen, dass er die Richtigkeit der Auskünfte an Eides Statt versichert. Stellt sich nach der eidesstattlichen Versicherung heraus, dass die Angaben immer noch schuldhaft unrichtig oder unvollständig waren, kann der Erbe wegen Meineids zu bestrafen sein (Mindestfreiheitsstrafe ein Jahr, § 154 StGB).

Ein Anspruch auf eidesstattliche Versicherung besteht nur, wenn konkrete Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten vorliegen, z.B. eine auf Versäumnissen des Erben beruhende lückenhafte oder verzögerte Auskunft. Ansonsten entfällt dieser Schritt.

Schritt 4: Berechnung und Auszahlung

Berechnen Sie den Pflichtteilsanspruch und ggf. Pflichtteilsergänzungsanspruch und fordern Sie den Erben zur Zahlung auf.

Dazu wird die Pflichtteilsquote aus dem Reinnachlass gezogen. Pflichtteilsquote ist der Ihnen als Pflichtteil zustehende Anteil, dessen Höhe davon abhängt, welche weiteren gesetzlich erbberechtigten Personen vorhanden sind. Reinnachlass ist der Wert des Nachlassvermögens abzüglich des Wertes der Nachlassverbindlichkeiten.

Die Zahlungsaufforderung können Sie auch schon mit der Aufforderung zur Auskunftserteilung in Schritt 1 aussprechen. Zwar können Sie den Pflichtteil zu diesem Zeitpunkt noch nicht berechnen. Doch auch die unbezifferte Zahlungsaufforderung kann ausreichen, um den Erben in Verzug zu setzen, wodurch Sie später Verzugszinsen verlangen und Rechtsverfolgungskosten – z.B. Rechtsanwaltskosten – vom Erben erstattet verlangen können.

Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

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