Wie werden lebzeitige Zuwendungen auf den Pflichtteil angerechnet?

Tobias Goldkamp

Veröffentlicht am 14. September 2024 von Tobias Goldkamp

Themen: Erbrechtliche Ansprüche

Die Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil ist ein wichtiger Aspekt im Erbrecht, der die Höhe des Pflichtteilsanspruchs erheblich beeinflussen kann. Dieser Artikel erklärt, wann und wie Zuwendungen auf den Pflichtteil angerechnet werden und welche rechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen.

Bedeutung des § 2315 BGB

Nach § 2315 BGB kann der Erblasser bestimmen, dass eine Zuwendung, die er zu Lebzeiten an einen Pflichtteilsberechtigten gemacht hat, auf dessen Pflichtteil angerechnet wird. Dies bedeutet, dass der Pflichtteilsanspruch des Berechtigten um den Wert der bereits erhaltenen Zuwendung gemindert wird. Die Anrechnung kommt dabei nur dem Erben zugute und wirkt sich nicht auf die Pflichtteilsansprüche anderer Berechtigter aus.

Voraussetzungen für die Anrechnung

Damit eine Zuwendung auf den Pflichtteil angerechnet werden kann, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Zuwendung an den Pflichtteilsberechtigten: Die Zuwendung muss an den Pflichtteilsberechtigten selbst erfolgt sein. Es handelt sich dabei um eine freigiebige Zuwendung, die das Vermögen des Erblassers zu dessen Lebzeiten mindert. Die Zuwendung kann sowohl dinglicher als auch obligatorischer Natur sein.
  2. Anrechnungsbestimmung: Der Erblasser muss bei der Zuwendung ausdrücklich bestimmen, dass diese auf den Pflichtteil angerechnet werden soll. Diese Anrechnungsbestimmung kann durch eine einseitige Willenserklärung des Erblassers erfolgen, die dem Pflichtteilsberechtigten vor oder bei der Zuwendung mitgeteilt wird. Es ist wichtig, dass der Erblasser klar formuliert, welcher Wert auf den Pflichtteil angerechnet werden soll.

Berechnung des Pflichtteilsanspruchs bei Anrechnung

Die Pflichtteilsberechnung erfolgt in mehreren Schritten:

  1. Ermittlung des fiktiven Nachlasses: Der Wert der anrechnungspflichtigen Zuwendung wird dem Nachlass hinzugerechnet, um einen fiktiven Nachlasswert zu ermitteln. Dieser Wert stellt den Nachlass dar, als wäre die Zuwendung nicht erfolgt.
  2. Berechnung des rechnerischen Pflichtteils: Aus diesem fiktiven Nachlass wird der Pflichtteil des Anrechnungspflichtigen errechnet.
  3. Abzug der Zuwendung: Vom errechneten Pflichtteilsanspruch wird der Wert der Zuwendung abgezogen, sodass sich der endgültige Pflichtteilsanspruch ergibt.

Beispiel zur Verdeutlichung

Angenommen, der Erblasser hinterlässt einen Nachlass im Wert von 100.000 Euro. Der Pflichtteilsberechtigte hat bereits zu Lebzeiten eine Zuwendung im Wert von 20.000 Euro erhalten, die auf den Pflichtteil angerechnet werden soll. Angenommen, der Pflichtteil beträgt in diesem Fall 50% des Nachlasswertes, sind dies im Ausgangspunkt 50.000 Euro. Der Pflichtteilsberechtigte muss sich die erhaltenen 20.000 Euro anrechnen lassen, sodass ihm noch ein Anspruch von 30.000 Euro zusteht.

Fazit

Die Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil ist ein komplexer Vorgang, der genaue Kenntnisse der gesetzlichen Regelungen erfordert. Es ist wichtig, dass der Erblasser seine Absichten klar und deutlich formuliert, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Pflichtteilsberechtigte sollten sich frühzeitig über ihre Rechte und Pflichten informieren und im Zweifelsfall rechtlichen Rat einholen.

Unsere Kanzlei unterstützt Sie bei allen Fragen rund um die Pflichtteilsberechnung und die Anrechnung von Zuwendungen. Kontaktieren Sie uns, um eine fundierte Beratung zu erhalten.

Tobias Goldkamp

Rechtsanwalt Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131-718190

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